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TEXTE zu
R. SCHINDEL
ROBERT SCHINDEL UND DER HOLOCAUST 1-3
Gerlinde Ulm, Sanford (Syracuse)
 


Die Frage, was der Holocaust für uns Heutige noch bedeutet und welche Konsequenzen wir daraus ziehen sollten, stellen sich wohl viele sensible Menschen, Juden und Nicht-Juden. Für einen Menschen aber, dessen Angehörige unter den Nazis gelitten haben oder gar im Konzentrationslager umgekommen sind, für einen solchen Menschen ist diese Frage besonders brennend. Robert Schindel ist ein solcher Mensch. Die in seinem Roman ‘Gebürtig’(1) und in seinen Gedichten(2) aufgezeigten Probleme sind zwar meist bedingt durch die menschliche Natur im allgemeinen, aber ebenfalls durch divergente politische Überzeugungen oder durch das Gegenüber von Jude und Nicht-Jude und vor allem durch Verschiedenheiten in der Verarbeitung der Holocaustvergangenheit. Immer wieder geht es ihm um die psychischen Nachwirkungen im Leben von Holocaust-Nachkommen.

Zunächst einige kurze Bemerkungen über Schindels Leben, aus denen hervorgeht, inwiefern Robert Schindel persönlich vom Holocaust betroffen war.

Robert Schindels Eltern waren jüdische Kommunisten, die nach Frankreich ausgewandert waren. Zur Zeit des Nationalsozialismus kehrten sie nach Österreich zurück, um Widerstand gegen die Nazis zu leisten. Robert wurde am 4. April 1944 in Bad Hall in Oberösterreich geboren. Seine Mutter wurde vier Monate nach seiner Geburt festgenommen, Robert aber kam unter dem falschen Namen Robert Sodl in die Obhut der nationalsozialistischen Wohlfahrt. Der Vater wurde am 30. März 1945 in Dachau hingerichtet. Die Mutter überlebte das Konzentrationslager in Auschwitz.(3)

Mit grimmigem Humor behauptet Robert Schindel von sich, daß er als Kind "potthäßlich"(4) war, daß er das hat, was "die Welt ein jüdisches Gesicht" nennt. Seine Berufslaufbahn erstreckt sich über ein abgebrochenes Philosophiestudium, eine Ausbildung als Therapeut, Jobs als Bibliothekar, gruppendynamischer Trainer, Nachtredakteur, Drehbuchschreiber und Schauspieler.(5)

In seinem Roman Gebürtig spricht Schindel vor allem über jene Befangenheiten und Verstrickungen in Scham und Lüge, die sich als gläserne Wand' immer wieder aufs neue zwischen die unsere Jahrhundertkatastrophe überlebenden Juden und die nachgewachsenen deutsch-österreichischen Nichtjuden schiebt. "Müssen wir Verzweifelte sein?"(6)

Diese Frage stellt Schindel an alle Juden und Nichtjuden und vor allem an sich selbst.

Im Folgenden werde ich versuchen, Robert Schindels Haltung gegenüber dem Holocaust zu skizzieren, indem ich das Gedicht "Ein Feuerchen im Hintennach" untersuche. Man könnte Schindels Haltung gegenüber dem Holocaust auch aus einer Analyse seines Romans Gebürtig oder zahlreicher anderer Gedichte(7) ableiten. Ich habe mich für dieses Gedicht entschieden, da der Holocaust darin sehr ausführlich zur Sprache kommt und da es etliche interessante interpretatorische Hürden setzt, die ich im großen und ganzen mit diesem Aufsatz überwunden zu haben hoffe.

Wie so manches Gedicht von Schindel ist auch dieses zunächst schwer zugänglich. Es handelt sich um ein relativ langes und wichtiges Gedicht aus seinem viertem Lyrikbändchen, dem dieses Gedicht auch als Titel dient: Ein Feuerchen im Hintennach.(8) Ein Großteil der Gedichte dieses Bändchens wurde in den Jahren 1986-1992 geschrieben. In vielen Gedichten dieses Bandes wird die Frage gestellt:

Wie lebt einer, vor allem aber wie kann einer - und noch dazu auf deutsch - Lyrik schreiben, dessen Familie ins KZ deportiert wurde, während er selber als angebliches Kind von Asozialen in einem Heim der "Volkswohlfahrt" überlebte?

Adornos 1949 geprägtes und siebzehn Jahre später von ihm selbst zurückgenommene Diktum, daß es barbarisch sei, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist als gefährliches Moment der Lähmung, aber auch als Stachel der Herausforderung in Schindels Gedichten stets latent gegenwärtig.(9)

Ich spreche zunächst kurz über die Bedeutung des Gedichttitels: "Ein Feuerchen im Hintennach." Das Hintennach bedeutet das Nachhinein. Nachhinein bezieht sich auf die Menschen nach dem Holocaust.

Schindel empfindet sich eigentlich stets und also auch in diesem Gedicht als Nachkomme seiner im Holocaust umgekommenen Angehörigen. Er fragt sich immer wieder, wie ein Mensch in einer solchen Situation sich zu verhalten habe. Er ist ein "Feuerchen", also nur ein kleines Feuer, aber doch ein Feuerchen. Das heißt auch in ihm brennt das große Feuer des Holocausts noch irgendwie weiter.

 

 

Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften, 7. Nr. , 1999; erstmals in: Jura Soyfer. Internationale Zeitschrift für Kulturwissenschaften. 5.Jg., Nr.2/1996. S. 12-19.

 
 
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